A. Müller u.a. (Hrsg.): Medieval Religious Commun

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Titel
Self-Representation of Medieval Religious Communities. The British Isles in Context


Herausgeber
Müller, Anne; Karen, Stöber
Reihe
Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter 40
Erschienen
Berlin 2009: LIT Verlag
Anzahl Seiten
412 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Kathrin Utz Tremp, Staatsarchiv Freiburg

Anzuzeigen ist ein gehaltsvoller Band, der sich damit befasst, wie mittelalterliche Klöster in England sich selbst darzustellen versuchten. Was auffällt, ist, dass gewisse Historiker heute schon sehr weit von der mittelalterlichen Welt der Klöster entfernt sind und sich diese recht mühsam zusammenreimen müssen. Dies gilt vielleicht in besonderem Masse für England, wo die katholische Welt im 16. Jahrhundert von König Heinrich VIII. gewissermassen ausradiert wurde und wo es Klöster allerhöchstens noch als Ruinen gibt. – Gert Melville, Construction and deconstruction of religious symbols in the Middle Ages (3–19), befasst sich mit den Habits der verschiedenen Orden und ihrer Interpretation durch die Zeitgenossen. – Jens Röhrkasten, Reality and symbolic meaning among the early Franciscans (21–41), zeigt auf, wie die Werte der Armut, Demut und Einfachheit bei Franziskus und der ersten franziskanischen Generation noch reell waren und wie sie dann unter dem Zwang der Ordensbildung immer mehr zu Symbolen wurden; daher auch der Widerstand der Spiritualen. – Jörg Sonntag, Welcoming high guests to the paradise of the monks: Social interactions and symbolic moments of monastic self-representation according to Lanfranc’s constitutions (45–65), analysiert die Passagen, die Lanfranc, zunächst Prior von Bec (Diöz. Rouen) und dann Erzbischof von Canterburg (gest. 1089), in seinen Constitutiones dem Empfang hoher Gäste im Kloster widmet und verleiht ihnen allen möglichen (und unmöglichen) Sinngehalt. – Annette Kehnel und Mirjam Mencej, Representing eternity: Circular movement in the cloister, round dancing, winding-staircases and dancing angels (67–97), suchen an allen möglichen (und unmöglichen) Orten nach kreisförmigen Bewegungen. – Martin Heale, Mitres and arms: Aspects of the self-representation of the monastic superior in late medieval England (99– 122), zeichnet nach, wie immer mehr englische Klosterobere im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert nach den Pontifikalien strebten und unter ihrem eigenen Familienwappen auftraten und sich damit einerseits die Opposition der Bischöfe und andererseits diejenige ihrer eigenen Konvente zuzogen. – Julie Kerr, The symbolic significance of hospitality (125–141), zeigt, dass die den Mönchen durch die Bibel und die Regula Benedicti auferlegte Gastfreundschaft diese in mannigfache Dilemmen brachte, weil es galt, den klösterlichen Frieden zu bewahren. Die im Hochmittelalter neu gegründeten Orden änderten einiges an den herkömmlichen Gewohnheiten; am konservativsten verhielten sich die Kartäuser, bei denen Gäste – zumindest in den ländlichen Kartausen – nur in den unteren Häusern empfangen werden durften. – Margrit Mersch, Programme, pragmatism and symbolism in mendicant architecture (143–166), schildert, wie Dominikaner und Franziskaner ihre rigiden Bauvorschriften auch gegen reiche Sponsoren durchsetzen konnten und wie sie den Laien mehr Zugang selbst zum Chor gewährten als die Zisterzienser. – Anne Müller, Presenting identity in the cloister: Remarks on Benedictine and mendicant concepts of space (167–187), spricht über die Interpretation von ursprünglichen Klöstern als Paradies oder Fegefeuer und über die Bedeutung des Kapitelhauses bei den Zisterziensern. Die Mendikanten mit ihrer vita activa brachen mit diesen Konzepten; die ersten Franziskaner zerstörten sogar Gebäude, die ihnen zur Verfügung gestellt worden waren. Die Dominikaner unterteilten die Dormitorien in Zellen, damit die Mönche auch des Nachts den Studien obliegen konnten, und statteteten ihre Kapitelshäuser mit Dominikanerstammbäumen aus. – Peter Dänhardt, Building (on) the church: Craftsmanship and practival skills in the life of English abbots (189–205), zeichnet nach, wie in englischen Quellen die Benediktineräbte (angelsächsische und später normannische) als Bauherren gefeiert werden, während bei den Zisterziensern diese Tugend dahinfällt. – Emilia Jamroziak, Cistercian identities on the northern peripheries of medieval Europe from the twelfth to the late fourteenth century (209–219), zeigt anhand der Chronik des Klosters Melrose, wie diese erste Zisterzienserabtei auf schottischem Boden aufgrund von Visitationen und Gebetsbrüderschaften sehr viel stärker in das zisterziensische Netz eingebunden war als das pommerische Zisterzienserkloster Kolbacz, das 1173 von Dänemark aus gegründet worden war. – Frances Andrews, Self-representation in times of crisis: The case oft the early Humiliati (221– 231), schildert anhand der Humiliaten, dass bei den neuen religiösen Bewegungen des Hochmittelalters der Name häufig Programm war, das indessen auch kritische Ablehnung (bis zur päpstlichen Verdammung) hervorrufen konnte. – Andrew Abram, Identity and remembrance: Interaction between Augustinian Houses and their benefactors in an English context (233–244), beschreibt die Mittel, mit welchen die hochmittelalterlichen englischen Augustinerchorherren ihre Wohltäter an sich banden (Begräbnisse, Bruderschaften, Jahrzeiten). – James G. Clark, The self-image of the scholar monk in late medieval England (245–271), schildert die Spannungen, die am Ende des Mittelalters daraus erwuchsen, dass auch die englischen Benediktinermönche mehr und mehr die höheren Schulen und Universitäten besuchten, einer der gehaltvollsten Aufsätze des vorliegenden Bandes. – Julian Luxford, Texts and images of Carthusian foundation (275–305), lässt die «Zyklen» und «Bäume» des hl. Bruno Revue passieren, die im Spätmittelalter auf dem Kontinent und in England entstanden. Sie zeugen von einem ausgeprägten Geschichtsbewusstsein des Ordens, bei dem jeder Mönch über den Ursprung des Ordens und seines eigenen Klosters Bescheid wissen musste. – Antonio Sennis, The power of time: Looking at the past in medieval monasteries (307–325), beschreibt das ambivalente Verhältnis gegenüber Gedächtnis und Vergessen der mittelalterlichen Klöster. «Recycling » von Pergamenten, d.h. die Produktion von Palimpsesten, war gerade in Italien noch lange Zeit an der Tagesordnung, und so wichtige Gräber wie dasjenige des hl. Benedikt konnten einfach vergessen gehen. – Janet Burton, Constructing a corporate identitiy: The Historia Fundationis of the Cistercian abbeys of Byland and Jervaulx (327– 340), zählt die Faktoren auf, durch welche ein «corporate identity» kreiert wurde: schwierige Anfänge, die bewältigt wurden; die Einordnung in die zisterziensische Filiation und gleichzeitig in den lokalen Kontext und schliesslich die Versehung mit einer mächtigen Schutzherrin, bei den Zisterziensern mit Vorliebe die Jungfrau Maria. – Michael Robson, OFMConv., The Franciscans in the custody of York: Evidence drawn from chronicles and annals (341–367), befasst sich mit der franziskanischen Kustodie York, die ausserordendlich viel Geschichtsschreibung hervorgebracht hat. Diese ist sowohl über die lokalen Ereignissen als auch über die franziskanischen Entwicklungen auf dem Kontinent informiert. – Karen Stöber, Self-representation of medieval religious communities in their writing of history (369–384), fokussiert auf die Zisterzienserabtei von Crowden (in Staffordshire), die eine eigene Chronik hervorgebracht hat. Aus dieser geht hervor, dass das Kloster eine enge Beziehung zur Gründerfamilie Verdun aufrechterhielt, so dass die Chronik zeitweise Züge einer Familienchronik aufweist. – Martial Staub, Conclusion (385–388).

Zitierweise:
Kathrin Utz Tremp: Rezension zu: Anne Müller/Karen Stöber (Eds.), Self-Representation of Medieval Religious Communities. The British Isles in Context, Berlin u.a., LIT, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 106, 2012, S. 678-680.

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